Entgegen der landläufigen Meinung gehören Stadttauben nicht zu den Wildtieren, sondern sind verwilderte Haustiere. Sie stammen ursprünglich von der Felsentaube ab und haben, ähnlich wie ausländische Straßenhunde, aus diversen Gründen ihr Zuhause verloren. Sie sind daher auf unsere Hilfe angewiesen
Nur wenige Tiere in unserem Stadtbild polarisieren so stark wie die allgegenwärtigen Taubenschwärme. Als „Ratten der Lüfte“ werden sie verunglimpft, städtische und private Einrichtungen investieren viel Geld in die sogenannte Vergrämung. Doch Spikes, Netze und Kleber aller Art machen den unschuldigen Tieren zwar das Leben schwer, verhindern aber keineswegs ihre weitere Verbreitung. Auch Jagd und der Einsatz von Greifvögeln bleibt langfristig nutzlos. Denn unsere heutigen Stadttauben sind keine freiwilligen Kulturfolger des Menschen, sondern wurden bereits seit Tausenden von Jahren gezüchtet, um ihren Haltern Fleisch, Eier und Federn zu liefern.
Ähnlich wie bei unseren heutigen Legehennen legte man daher viel Wert auf hohe Fortpflanzungsraten. Aufgrund dieser vom Menschen geschaffenen Züchtungen können sich Stadttauben als verwilderte Haustiere rund ums Jahr (auch im Winter!) vermehren und bis zu neun Gelege produzieren. Je mehr Plätze in der erwachsenen Population durch Tode frei werden, umso höher die Vermehrungsrate. Auch wenn die Tiere mangelernährt sind, bleibt der Brutdruck hoch. In der Folge verhungern die Jungtiere und machen der nächsten Brut Platz. Doch dieser tierquälerische Kreislauf muss nicht zwangsläufig immer so weitergehen, wie das sogenannte Augsburger Modell seit über zwanzig Jahren beweist: Bereits 1997 wurde in der Fuggerstadt der erste betreute Taubenschlag eingerichtet, um die unkontrollierte Vermehrung der Vögel zu unterbinden. Die Idee ist simpel: Anstatt die Tiere immer weiter zu vertreiben, wird ihnen eine Heimstatt angeboten, in der sie artgerecht gefüttert und gehalten werden. Da im Taubenschlag auch Nistmöglichkeiten vorhanden sind, können die BetreuerInnen problemlos die Eier austauschen und so die weitere Vermehrung verhindern.
Fünf Taubenschläge betreut der Tierschutzverein München aktuell. Davon befinden sich drei Anlagen auf dem Tierheimgelände in Riem und einer in der Münchner Innenstadt nahe dem Hauptbahnhof. Ein weiterer Taubenschlag wurde 2019 in Obermenzing neben einem Wohnungslosenheim errichtet. Dort werden die Obdachlosen in die Pflege des Taubenschlages integriert. Immerhin teilen die geflügelten Tiere ihr Schicksal mit den dortigen Menschen.
Haben die Vögel ihre neue Heimstatt akzeptiert, können die Schläge problemlos betreut werden. Tauben sind sehr standorttreu und verbleiben ihr Leben lang am gewählten Ort. Daher ist es wichtig, die Häuser dort einzurichten, wo sich bereits größere Populationen gebildet haben. Sind die Tiere in ihr neues Zuhause eingezogen, verhalten sie sich unauffällig. Sie verbringen die meiste Zeit im Schlag, brüten und setzen auch den meisten Kot dort ab. Sie müssen nicht weiter auf den Straßen herumlungern, wo sie vielen Menschen sowieso ein Dorn im Auge sind und verunreinigen keine öffentlichen Flächen. In den Taubenhäusern werden die Tiere artgerecht mit Mais, getrockneten Erbsen, Weizen, Gerste oder Sonnenblumenkernen gefüttert und müssen nicht länger Brot und Abfälle von den Gehsteigen picken.
Eine Reduzierung des Bestandes durch Tötung oder Vergrämung erfolgt nicht. Tauben aus der Umgebung werden auf natürlichem Wege durch die vorhandenen Nistmöglichkeiten und Artgenossen angelockt. Damit das Gefühl einer perfekten Unterkunft bestehen bleibt, müssen einige Brutpaare des Schlages ein-oder zweimal pro Jahr brüten dürfen. Ihre Artgenossen sehen den Bruterfolg und legen weiterhin Eier, auch wenn aus ihren Gelegen keine Jungen schlüpfen.
Der Tierschutzverein sieht es als seine Pflicht an, sich um diese missverstandenen Geschöpfe zu kümmern. Das Augsburger Modell hat sich bisher als erfolgreichste Lösung herauskristallisiert. Dieses Konzept führt zur nachhaltigen und tierschutzgerechten Regulierung von Stadttaubenpopulationen. Es basiert auf der Bereitstellung betreuter Taubenschläge, die im optimalsten Fall flächendeckend im Stadtgebiet verteilt sind.
Wollen auch Sie den Tieren helfen? Melden Sie uns gerne mögliche Standorte, falls Sie Grundstücks- oder HauseigentümerInnen sind. Die Betreuung der Taubenschläge erfolgt meist ehrenamtlich durch TierschützerInnen. Dabei werden die Taubenschläge regelmäßig gereinigt, die Tiere gefüttert und die Eier gegen künstliche Gelege ausgetauscht. Auch verletzte oder kranke Tiere können so leicht gefangen und medizinisch versorgt werden. Mithilfe des Augsburger Modells kann viel Tierleid verhindert werden und auch die Menschen profitieren durch sichtbar mehr Sauberkeit davon, wenn die Tauben nicht einfach ihrem Schicksal überlassen werden.
Ehrenamtliche HelferInnen gesucht
Sie haben ein Herz für Tauben und wollen bei der Betreuung unserer Schläge helfen? Lydia Schübel von den TierschutzinspektorInnen freut sich über Ihren Anruf unter: 089/ 921 000-14 (von 8 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr).