Hunderten Mehlschwalben ereilte diesen September bei uns ein grausames Schicksal: Wie gewohnt starteten sie Ende August/Anfang September den Flug in ihre Überwinterungsgebiete. Bevor sie gemeinsam nach Afrika fliegen, sammeln sie sich meist im Süden von Deutschland. Doch genau hier wurde es tückisch. Durch eine ungewöhnliche Kaltwetterfront Mitte September mit tagelangem Starkregen und niedrigen Temperaturen fielen die Vögel zu Hunderten, geschwächt oder schon tot, vom Himmel und lagen in Massen auf den Straßen. Auch die Wildtierstation im Tierheim München hat an die 500 Schwalben aufgenommen; nur die Hälfte hat mit intensivster Dauerversorgung überlebt.

Auf derartig plötzliche Wetterumschwünge sind Mehlschwalben nicht eingestellt und OrnithologInnen vermuten, dass aufgrund der Klimaerwärmung häufigere Extremwetterlagen zu einer erhöhten Sterblichkeit dieser Art führen können.

Mehlschwalben fliegen zu Tausenden in einer breiten Front zu ihren Überwinterungsgebieten, wobei die westeurasischen Tiere nach Afrika ziehen und die ostasiatischen im Süden Asiens überwintern. Bei ihrem Winterzug erreichen Mehlschwalben eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 43 km/h. Werden die zierlichen Tiere von einem Greifvogel gejagt, können sie auch unglaubliche Geschwindigkeiten von bis zu 74 km/h erreichen.

Auch ihre Flughöhe ist im Vergleich zur Rauchschwalbe, die einen deutlicher gegabelten Schwanz hat, wesentlich höher. Mit einer Flughöhe von 21 bis 50 Metern bei der Mehlschwalbe im Vergleich zu 7 bis 8 Metern bei der Rauchschwalbe decken die beiden Arten unterschiedliche Jagdgebiete ab und können so ohne Nahrungskonkurrenz in den gleichen Gebieten überleben.

Ursprünglich brüteten Mehlschwalben an senkrechten Felswänden in großen Kolonien in Höhen von bis zu 4.600 Metern. Gerade in Europa ist sie aber überwiegend ein Kulturfolger und brütet jetzt an senkrechten Hauswänden mit einem schützenden Überhang. Während Mehlschwalben meist außen an Gebäuden ihre Nester bauen, bevorzugen Rauchschwalben den Innenbereich von Gebäuden. Zum Nestbau benötigen sie Gewässer in erreichbarer Nähe, um Lehm zu holen. Sind bereits alte Nester vorhanden, werden diese wieder renoviert. Während des Baus versuchen oft andere Vögel, häufig Spatzen, die Schwalben zu verjagen und die Brutstätte zu erobern. Ist das Nest fertiggestellt, ist das Einflugsloch aber zu klein für den Spatz.

Für die Jagd benötigen Mehlschwalben offene Landschaften mit kurzer Vegetation, damit auch bei schlechterem Wetter die niedrigfliegenden Insekten erbeutet werden können. Da sie hauptsächlich Fliegen, Mücken und Blattläuse fressen gelten sie als absolute Nützlinge. Gleichzeitig sind sie aber sehr empfindlich, was Insektizide und Luftverschmutzung angeht. So meiden sie häufig Städte mit zu hoher Luftverschmutzung.

Die Versiegelung von Naturflächen, Trockenlegung vieler Gewässer, Renovierungen von alten Gebäuden mit zu glatten Wänden und die intensive Landwirtschaft mit all ihren „Pflanzenschutzmitteln“ gefährden den Bestand so stark, dass die Mehlschwalbe seit 2020 auf der roten Liste in Deutschland als gefährdet geführt wird.

Dabei könnte man der Mehlschwalbe gut helfen: Sie nimmt Kunstnester gerne an, sofern diese in der Nähe von bereits vorhandenen Kolonien angebracht werden. Kleine Lehmpfützen für die Beschaffung des Nistmaterials und eine ökologische, nachhaltige Landwirtschaft ohne den Einsatz von Giftmitteln würden der Schwalbe entgegenkommen. Was gegen das Insektensterben hilft, nützt auch den Schwalben. Doch es müssen auch weitreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel getroffen werden, um extremen und plötzlichen Wetterumbrüchen entgegenzuwirken, damit sich eine Katastrophe wie in diesem Jahr nicht so bald wiederholt.

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